In der Tat eine Frage der Glaubwürdigkeit!

Leserbrief von Dr. Peter Sprenger an das St. Galler Tagblatt: Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein reagierte auf einen Beitrag von Markus Rohner im St. Galler Tagblatt vom 3. Oktober mit einem süffisanten Leserbrief, der am 6. Oktober im St. Galler Tagblatt abgedruckt wurde.

Mit seinen darin enthaltenen Ausführungen, dass für das Verfahren zur Abschaffung der Monarchie gemäss Art. 113 der liechtensteinischen Verfassung „die Zustimmung des Fürsten nicht notwendig ist“, hat er inhaltlich Recht. Der letzte Satz des fürstlichen Leserbriefs, lautend „Spricht sich eine einfache Mehrheit der Stimmberechtigten für eine republikanischen Verfassung aus, tritt diese ausser Kraft, und die Monarchie ist abgeschafft.“ ist in mehrfacher Hinsicht missverständlich und erheischt eine Richtigstellung.

Zum einen braucht es für die Abschaffung der Monarchie ein unglaublich kompliziertes, sich über Jahre hinziehendes Verfahren. Zudem genügt die einfache Mehrheit nicht, sondern es ist mehrfach eine absolute Mehrheit notwendig. Da ich mir vorstellen kann, dass viele Leser des St. Galler Tagblatts den Inhalt von Artikel 113 der liechtensteinischen Verfassung nicht kennen, zeichne ich das komplizierte und demokratiefeindliche Verfahren zur Abschaffung der Monarchie, wie es 2003 in die liechtensteinische Verfassung aufgenommen wurde, in fünf Punkten auf:

  1. 1500 Landesbürger verlangen in einer Initiative die Abschaffung der Monarchie.
  2. Wird die Initiative in der Volksabstimmung mit absolutem Mehr angenommen, muss das Parlament eine republikanische Verfassung ausarbeiten.
  3. Frühestens nach einem Jahr und spätestens nach zwei Jahren muss das Volk über die vom Parlament ausgearbeitete republikanische Verfassung abstimmen. Bei dieser Abstimmung kann der Fürst dem Volk gleichzeitig einen von ihm ausgearbeiteten Verfassungsentwurf vorlegen.
  4. Bei dieser zweiten Volksabstimmung kann der Bürger zwischen zwei neuen Verfassungsentwürfen (diejenige des Parlaments und diejenige des Fürsten) sowie über die heute gültige Verfassung entscheiden. Dafür stehen jedem Bürger zwei Stimmen zur Verfügung.
  5. Diejenigen zwei Varianten, die am meisten Stimmen auf sich vereinigen, kommen in eine dritte Abstimmung, die innert 14 Tagen nach der zweiten Abstimmung erfolgen muss. Bei dieser Abstimmung gilt wiederum das absolute Mehr.

Angesichts dieser Faktenlage ist unschwer zu erkennen, dass das nicht vom Sanktionsrecht des Fürsten bedrohte Abschaffungsprozedere sehr kompliziert ist und in der Praxis kaum funktionieren kann. Eine Kaskade von mehreren Abstimmungen, bei der der Fürst erst noch einen eigenen Vorschlag einbringen kann, wobei bei letzterem nicht klar ist, ob es um eine republikanische oder um eine monarchistische Verfassung geht, ist etwas zu viel des Guten.

Die Wahrheit ist, dass mit diesem unwürdigen Hindernislauf von den tatsächlichen Problemen der heutigen Verfassung abgelenkt wird. Die im Jahre 2003 geänderte Verfassung hat nämlich die schon früher grosse Macht des Fürsten in die unmittelbare Nähe einer Autokratie oder eines absolutistisch regierenden Monarchen gerückt. Dabei ist diese überschiessende Macht nicht toter Buchstabe, sondern – wie die beiden jüngsten Sanktionsverweigerungsankündigungen durch das Fürstenhaus betreffend zwei Initiativen auf Einführung der Fristenlösung eindrücklich belegen – beklemmende Realität.

Dr. iur.  Peter Sprenger
Haldenstrasse 12
9495 Triesen