Ein Sonntag im Julei

Stefan Sprenger erzählt vom verhängnisvollen Wahlsonntag im Juli, als das Volk «sein demokratisches Eigentor» enthusiastisch bejubelte. (Text von Stefan Sprenger aus WEISS, Magazin der Freien Liste – 04/12)

Prolog

Ein einziges Mal hatte sich der Delikatessenhändler versprochen, hatte mitten im Satz ein wenig gestockt und dann «Stabiliti-tät» gesagt, das bereits stattliche Wort mit einem vierten t armiert, vielleicht deshalb auch kein Versprecher, sondern mehr ein Ausdruck der enormen Bedeutung, die das Wort für ihn haben musste. Sein Videovotum lief ansonsten flüssig: Er verglich den Staat mit einem Unternehmen, gab der Regierung die Rolle der Geschäftsleitung und Fürst & Erbprinz die des Verwaltungsrates, der auch einmal «Nein!» sagen können müsse, liefe die Entwicklung zu schnell oder falsch ab. Die Partnerschaft mit dem Fürstenhaus bedeute Stabili-ti-tät für Liechtenstein, und deshalb werde er die Vetoinitiative ablehnen und ein Nein einlegen. Er schloss seinen Beitrag mit einem bescheidenen und sehr umgänglich wirkenden «Mini Määnig.» und liess so, im Unterschied zu einigen anderen Videobeiträgen auf der Webseite der IG «Wir sind Liechtenstein», auch den Befürwortern der Vetoinitiative, die am ersten Juliwochenende 2012 zur Abstimmung kommen würde, ein wenig Raum.

Zu sagen wäre, dass die von ihm verwendete Analogie von Staat und Unternehmen ihren Urheber im dreizehnten Fürsten von Liechtenstein Hans Adam II. hat, die detaillierte Ausdeutung der Analogie hingegen als Leistung des Videovotanten zu werten ist. Weder Fürst noch Delikatessenhändler führen den Vergleich Richtung Volk weiter; ihm käme in dieser Analogie vermutlich ein seltsames Rollenamalgam aus Kunde, Arbeitnehmer und Eigner zu.

Zu sagen wäre weiter, dass die Vokabel der «Partnerschaft» ihren Ursprung in der Werbestrategie der fürstlichen Bank LGT hat, die mit dem Slogan «Partnerschaft für Generationen» Kunden für ihr Private Banking zu gewinnen trachtet. Dass sich sein Finanzinstitut und seine Monarchie mit den gleichen Worten bewerben lassen, dürfte den als sparsam bekannten Fürsten gefreut haben.

1. Taufe

Am Morgen des Abstimmungssonntags liess sich der Göttibub in der Evangelischen Kirche Ebenholz taufen. Die vorbereitenden Gespräche mit der Pastorin waren nicht ohne Irritationen abgelaufen, denn die konfessionelle Konstellation der Beteiligten war alles andere als eindeutig, entsprach vielmehr der sowohl pragmatischen als auch verunsicherten religiösen bricolage, die sich mit Errichtung des Erzbistums auch in Liechtenstein breit gemacht hatte: Die Mutter kritisch-gläubige, nicht praktizierende Katholikin, der Vater bekennender, aber undogmatischer Atheist mit nicht gekündigter Kirchenmitgliedschaft, der Götti anno Haas aus der Kirche ausgetreten und in einer anderen Religion unterwegs, der zehnjährige Täufling mit Wohlgefühl und munter im evangelischen Konfirmantenunterricht, weil ihm die Eltern die HölleTodundTeufel-Theologie der Haas-Kaplane ersparen wollten. Im Gespräch war den beteiligten Erwachsenen bewusst, dass die Zeiten der einfachen Gewissheiten beendet waren; das erleichterte eine Verständigung.

Nach der Taufmesse fuhr man zum Essen ins Vorarlbergische und wartete dort auf der Terrasse, während im Restaurant kurzfristig umgedeckt wurde. In den frisch gemähten und feuchten Wiesen um das Haus glommen Katzen wie kleine, dichte Flurgottheiten. Sie sassen weit auseinander und alle still, nicht auf Lauer, sondern im Geländegebet – so jedenfalls übersetzte ich in Ermangelung eines besseres Wortes ihre konzentrierte und ins Unsichtbare gehende Aufmerksamkeit. Um die Zeit für die Taufgesellschaft bis zum Essen zu überbrücken, präsentierten die Paten dem Buben die Taufgeschenke, vom Götti die Uhr mit Stoppfunktion (wasserdicht bis 30 m Tiefe – das war, so im Vorgespräch mit der Mutter eruiert, wichtig), die den Buben, kaum trug er das anthrazitfarbene Gehäuse am Handgelenk, in einen jungen Mann von etwa 25 Jahren verwandelte, ein seltsamer und eigenartiger Zeitzauber des Chronometers, der sowohl den Buben als auch die Umstehenden verblüffte, und einen flüchtigen Schatten aus Melancholie und einem Quäntchen Schuld durch mich wandern liess, weil die Uhr damit in einem gewissen Sinn die Kindheit des Bubens durchstossen und ihn kurz ins Erwachsene versetzt hatte. Auch die Gotta hatte sich im Vorfeld mit der Mutter abgesprochen: Der vom Buben seit langem gewünschte und sich nun unerwartet einfindende iPod touch machte ihn für einen sehr langen Moment sprachlos; dann schien in ihm ein Licht aufzukeimen und sich in ein Freudeleuchten auszuwachsen, das noch mehrere Stunden anhalten würde. Wir Erwachsenen verkosteten den lauteren Seelenschein, das Gegengeschenk des Buben, mit Andacht und ebenfalls wortlos. Die kleine Kachel aus Glas, Metall und Elektronik bedeutete nicht nur das Portal zu den Spielwiesen der digitalen Gemeinschaft, in die er damit aufgenommen war wie am Morgen in die Christenheit, sondern war auch eine Vertrauenserklärung der Eltern: Sie befanden ihn, frisch getauft, reif für das Stück Freiheit und Gefahr in seiner Hand; auch das war ein Grund seiner Freude.

Zum Dessert kam der Anruf: In Liechtenstein waren die Stimmen ausgezählt, die Vetoinitiative mehr als wuchtig, geradezu absolut verworfen. Man stellte sich an die Terrassenbrüstung – der Himmel überzogen, die Katzen verschwunden – und fragte sich, wie das Abstimmungsresultat zu deuten wäre. Als Bekundung Unwillen, sich wieder und weiter mit der Verfassung zu beschäftigen? Als Blankocheck für fürstliche Präventiv-Vetos? Oder drückte sich in der Ablehnung der Vetoinitiative der Wunsch aus, das Gewohnte und Bekannte erhalten zu wissen, egal zu welchem Preis? Wie hingegen Fürst und Stellvertreter das Resultat nicht nur interpretieren, sondern gebrauchen würden, bedurfte keiner Deutung.

Zu sagen wäre noch, dass das Taufessen gedämpft endete. Befriedigt äusserte sich einzig die Grossmutter des Täuflings: Sie habe ein Jahrzehnt gebetet, dass ihrem Enkel das Sakrament der Taufe gespendet werden möge. Für die richtige, nämlich katholische Taufe werde sie allerdings am Rosenkranz bleiben müssen, aber auch das werde noch gelingen.

2. Tagesschau

Am späten Nachmittag desselben Sonntags erlebte die Schweizer Fernsehjournalistin Henriette Engbersen in der Fürstlichen Hofkellerei im liechtensteinischen Vaduz ein kleines blaues Wunder. Sie stellte dem vom mehrmaligen Absingen der Landeshymne bereits leicht angeröteten Erbprinzen Alois von und zu Liechtenstein vor laufender Kamera die Frage, ob Durchlaucht nach diesem überwältigenden Abstimmungsresultat zu seinen Gunsten Verständnis für das Anliegen der Veto-Initianten habe. Herr Liechtenstein junior hatte offensichtlich mit dieser Frage nicht gerechnet, denn er runzelte Stirn und Brauen und gab nach kurzer Besinnung ungewöhnlich heftig zur Antwort, dass, Nein!, er nicht das geringste Verständnis dafür aufbringen könne, weil – und an dieser Stelle begann nach dem von einem triumphierenden Grinsen begleiteten Ausbruch das eingeübte Monarchensprechprogramm wieder zu rattern – die Initiative gegen duale Partnerschaft gerichtet gewesen und ähnliches Bla. Mit dieser unverblümt unversöhnlichen Antwort schien das stellvertretende Staatsoberhaupt nun wiederum die Tagesschaujournalistin Engbersen verblüfft zu haben, denn ihre nächsten Fragen kamen eigenartig ruckelnd, so als behindere ein innerer und andauernder Widerstreit zwischen der erwarteten und der tatsächlich erhaltenen Antwort die branchenübliche Geschmeidigkeit.

Frau Engbersen hatte ihre Frage gemäss eidgenössischem Brauch gestellt, nach dem der Sieger Abstimmungswogen glättet, indem er Verständnis für das Anliegen der Gegner zeigt, den Einsatz beider Seiten würdigt und so den im Abstimmungskampf entzweiten Souverän wieder mit sich vereint – ein in der Schweiz selbstverständlicher und routinierter Vorgang, dem die Journalistin mit ihrer Frage zugedient hatte, vermutlich in der Annahme, die politische Kultur Liechtensteins würde sich in dieser Sache kaum von der Eidgenossenschaft unterscheiden. Sie erlebte, wie bereits erwähnt, ihr kleines blaublütiges Wunder.

Die kurze und gegenseitige Verunsicherung der Interviewpartner war nur in der «kleinen» Ausgabe der Schweizer Tagesschau um 18 Uhr zu sehen; im ansonsten unveränderten Beitrag für die Hauptsendung um 19 Uhr 30 ersetzte eine Sequenz mit Hans Adam II das Kurzgespräch mit seinem ältesten Sohn: Frau Engbersen leitete das Interview mit dem sogenannten Landesfürsten ein mit dem Satz, die Fürstenfamilie habe gedroht, sich politisch zurückzuziehen, wenn ihre Rechte beschnitten würden, das habe man angekündigt, «Hat das genützt?». «Ja», antwortete der Fürst, «das hat sicher auch genützt.» Im Unterschied zum Erbprinzen äusserte er das mit verbindlichem Gesichtsausdruck und wählte dann für die nächsten Sätze des Monarchensprechprogramms die Miene eines erleichterten, vom möglichen, nun abgewendeten Schaden aber immer noch bekümmerten Hausvaters.

Ob es der höhere mediale Stellenwert des Fürsten war, der die SRG-Redakteure zum Umschneiden des Beitrags für die Hauptausgabe bewogen hatte, kann nur vermutet werden. Anzunehmen ist, dass die geradezu gleichgültige Beiläufigkeit, mit der der Fürst von Liechtenstein die Aus- oder Rückzugsdrohung seines Hauses als den längsten Machthebel in der liechtensteinischen Politik bestätigt hatte, für eidgenössische Ohren ungewöhnlich und deshalb interessant klingen musste.

Zu sagen wäre noch, dass des Fürsten Triumphgeste bereits beim Eintreffen bei der Hofkellerei vorgeführt worden war: ein Herrschergrinsen, zwei erhobene Daumen. Die ordinäre Geste bekam an diesem Tag eine zweite Bedeutung: Herr Liechtenstein senior hob als Souverän Fürst auch den Daumen für den Souverän Volk. Deutlicher liesse sich nicht signalisieren, wie sehr sich der eine Souverän den andern einverleibt hatte.

Zu sagen wäre weiter noch, dass die fürstlichen Herrschaften ohne Damenbegleitung zur Siegesfeier erschienen waren, anders als beim Familienauftritt anlässlich des Manifests der IG «Wir sind Liechtenstein» am 9. Juni in Schaan. In der Hofkellerei nahm nicht die Familie, sondern der Herrscher und sein Stellvertreter die Gratulationen entgegen. Das Volk bejubelte sein demokratisches Eigentor mit Enthusiasmus.

3. Titel

Von Fussball weiss ich wenig und interessiere mich selten dafür. Diesen Sommer hatte ich dennoch die Spiele der EM in Polen und der Ukraine verfolgt, weil so vieles so seltsam geworden war – das Wetter, die Wirtschaft, das Geld – und ich ein grosses Bedürfnis nach Normalität spürte, besonders abends. So kamen die EM-Spiele genau richtig, denn zweiundzwanzig Männer, zwei Tore und ein Ball auf einem Rasenfeld waren einigermassen überblickbar und boten dennoch genügend Spektakel,besonders an diesem Sonntag, besonders nach jener Tagesschau.

Im Finale der EM trafen an diesem Abend mit Italien und Spanien nicht nur zwei grosse Mannschaften, sondern auch zwei Prinzipien aufeinander. Da war die Squadra Azzura, die ihr Spiel in drei ausgefeilte Segmente teilte – eine undurchlässige Verteidigung, ein ausgefuchstes Mittelfeld, das die Bälle nach vorne brachte und verteilte, und die Sturmspitzen Cassano und Balotelli, die, wenn angestachelt oder bei Laune, Tore schossen, als hätte Gott persönlich ihnen die Fussballschuhe geküsst.

Auf der anderen Seite gab es das Passspiel der Spanier, das ein einheitliches Netz über das Feld legte, in dem sie und der Ball vor und zurück, nach links und nach rechts flossen und in dem jeder fast alles konnte, verteidigen, zupassen und einlochen. Dass jeder Spanier geradezu blind zu wissen schien, wo seine Kollegen wann und wo durchlaufen würden, faszinierte mich: Ihr Spiel war sowohl unerschütterlich ruhig als auch, wenn nicht rein defensiv angelegt, schön wie ein Schwarm Stare, die vor dem Einnachten ihre fliessenden Choreografien an den Himmel zaubern. Das Netz der Spanier produzierte die Tore mit grosser Natürlichkeit und wenig Aggression, während die beiden italienischen Diven jeweils «explodieren» mussten, um die Vor- und Zuarbeit ihrer Mannschaft in Zähler zu verwandeln.

Das Finale, das um 21 Uhr in Kiev angepiffen wurde, würde allerdings nicht nur den Europameister, sondern auch den Torschützenkönig bestimmen: Mehrere Spieler hatten im Turnierverlauf drei Tore geschossen, etwa der Deutsche Gomez, der portugiesische Pfau Ronaldo und natürlich Balotelli, der sich, mit einem Treffer im Finale, nicht nur als archaischer Muskelposeur, sondern auch als bester Spieler der EM würde feiern lassen können.

Aber die Azzuri taten an diesem Abend keinen Stich: Die Spanier zirkelten zwischen ihnen durch, als schnurrte ihr «Tiki-Taka»-Uhrwerk in einer Dimension ab, zu der die Italiener keinen Zugang hatten und einen «Topf» nach dem anderen kassierten, bis es 3:0 stand, ein jedes der Tore von einem anderen Spanier erzielt.

Das von Torres in der 84. Minute rückte auch ihn in die Kategorie der Dreier-Scorer vor und machte ihn so ebenfalls zum Anwärter auf den Torschützenkönig. Tatsächlich fand sich der agile Spanier knappe drei Minuten später wieder im Strafraum der inzwischen desorganisierten und einbrechenden italienischen Squadra und hätte vermutlich sein viertes Tor und damit die Ehre des Turnierkönigs errungen, Torres aber passt in jenem Moment der absoluten Versuchung – die Versuchung, von der versammelten europäischen Fussballwelt als der Allerbeste gehuldigt zu werden – nach rechts und legt dem eben eingewechselten Mata vor, der auch prompt das 4:0 realisiert.

In jenem Moment verstand ich, dass das Passspiel der Spanier nicht eine ausgetüftelte Variante des Ballbesitzes war, sondern aus einer Lebenshaltung resultierte, die die grosse Kraft des Gemeinsamen dem Spitzenkult der Stars vorzog. Dass die spanischen Spieler nach dem Sieg mit ihren Kindern über den Rasen spazierten, hiess auch, dass es ohne die Familien, die Frauen und Kinder nicht möglich gewesen wäre, so ausgeglichen und angstlos zu spielen, mehr noch, dass die Familien, die Frauen und Kinder diesen Titel ebenso gewonnen hatten wie die Spieler selbst.

Zu sagen wäre, dass an jenem ersten Julisonntag 2012, an dem sich das liech tensteinische Volk erneut für den politischen Spitzenkult entschieden hatte, und sich Fürst und Erbprinz als die politischen Topscorer der Nation in der Hofkellerei feiern liessen, das spanische Fussballnationalteam europaweit und erfolgreich beweisen konnte, dass die Kraft nicht in der Macht, sondern in der Gruppe wurzelt.

Epilog

In einer der Folgenächte gab ein Unbekannter den vielleicht umfassendsten Kommentar zum Abstimmungsergebnis in Liechtenstein ab, in Form eines am Warnzeichen «Achtung Radioaktivität» orientierten Piktogramms, das statt des strahlenden Atomkerns eine giftig strahlende Fürstenkrone zeigte. Es gibt mehrere Gründe, diese an den Balzner Landesgrenzen auf den Strassenbelag gesprayte Arbeit für das wahre Logo dieses Landes zu halten.

Zum einen warnt das Piktogramm vor der akuten Gefahr, in der sich der Dualismus nun befindet. Zum Zweiten bringt das Zeichen auf den Punkt, was den Staat Liechtenstein vergiftet und verseucht: der Entwurf der Monarchie als unberührbares und spurloses Machtzentrum. Als Drittes macht seine Platzierung an den Landesgrenzen klar, wie sehr diese Interpretation der Monarchie uns von der demokratischen Kultur der Schweiz und Europas trennt und in einen politischen Sonderfall sondergleichen stürzt: Der Dualismus wird mit der sich abzeichnenden Verfassungswirklichkeit nicht mehr als ein Etikette an der Labortüre sein, hinter der Fürst und Erbprinz ungestört ihr Stäätchen köcheln. Sie tun das unberührbar, weil die Auseinandersetzung um und mit der fürstlichen Macht nur stellvertretend mit Parteien oder Gruppierungen wie der IG «Wir sind Liechtenstein» geführt werden kann, nicht jedoch mit dem Fürstenhaus selbst. Jenes hat lediglich sein «Njet» plus Auszugs-, Wegzugs- oder Rückzugsdrohung zu signalisieren und die Vokabeln und Metaphern vorzustanzen, damit die Kampagne steht; die Drecksarbeit wird inzwischen fast zur Gänze vom Fussvolk gemacht, das sich zur Rettung der Heimat aufgerufen glaubt und nicht wahrhaben will, für was für eine despotische Interpretation der Monarchie es sich in die Bresche wirft.

Das fürstliche Machtzentrum wird auch spurlos werden, weil die Praxis des präventiven Vetos zu einer Kabinettspolitik führt, im Rahmen derer die staatliche und politische Agenda unter Ausschluss der Öffentlichkeit fürstentauglich bereinigt werden kann, und allfällige Konflikte, die es zwischen einer Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert und einer 800-jährigen Adelsfamilie naturgemäss geben muss, im Sinne des Fürstenhauses bereits im Vorfeld erstickt werden können. Die Balzner Piktogramme werden der Landespolizei gemeldet, die zuerst abzuklären hat, um welchen Tatbestand es sich hier handeln könnte. Gleichzeitig bittet das Liechtensteiner Vaterland, das einen kurzen Artikel dazu veröffentlicht, seine Leserschaft um Hinweise, wer für die Strassensprayereien und die zeitgleich auf Burg Gutenberg gehissten schwarzgelben Signalflaggen verantwortlich sein könnte. Tatsächlich teilt ein Leser der Zeitung noch am selben Tag mit, dass er sowohl den Flaggenhisser als auch dessen Motiv kenne, nämlich Protest gegen das Abstimmungsresultat. Die Polizei entscheidet im Hinblick auf die Monarchiewarnschilder und nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft auf Sachbeschädigung und eröffnet Ermittlungen gegen Unbekannt. Das Tiefbauamt erhält den Auftrag, die Piktogramme zu entfernen und übermalt sie grossflächig mit schwarzer Farbe.

Zu sagen wäre, dass der Staat neuester liechtensteinischer Prägung eine verkappt despotische Monarchie ist, die die Demokratie als Legitimationsritual missbraucht für das Biegen und Brechen der Verfassungswirklichkeit zugunsten des Fürsten.

Weiter und abschliessend ist zu sagen, dass es für die Rückkehr des liechtensteinischen Menschen in die selbstverschuldete Unmündigkeit keine Entschuldigung gibt, weder vor den Vor-, noch den Nachfahren, am allerwenigsten vor uns selbst.

Aus WEISS – Magazin der Freien Liste – 04/12